Kirche ganz nackt

Auf die Kamppi Chapel in Helsinki, Finnland, trifft der Begriff „Kunst im Kokon“ in besonderer Weise zu:
Von außen sieht sie aus wie ein Ufo, das mitten auf dem belebtesten Platz der finnischen Hauptstadt gelandet ist.
Kein Fenster lässt ins Innere blicken, die Außenwand ist eine hermetisch geschlossene Hülle aus gebogenem Holz.

Ebenso ist das Innere wie eine schützende Höhle gegenüber der Außenwelt geformt.
Nur über ein schmales Band an der Decke fällt Licht in den Raum, in dem kein Bild, keine Skulptur zu sehen ist. Lediglich ein kleines Kreuz auf dem Tisch, der zwar als Altar verwendet wird, aber nicht anders als die Bänke aussieht, gibt einen Hinweis darauf, dass es sich bei dem merkwürdig verschlossenen und zugleich alles eröffnenden Raum um eine Kirche handelt.

Kamppi Chapel, K2S Architects, Helsinki 2013

In ihrer ästhetisierten Klarheit erinnern Räume wie dieser ein bisschen an die cleanen, weißen Showrooms der Kunstwelt, die teilweise beeindruckender sind als die darin ausgestellten Artefakte.

Brian O’Doherty sagt dazu folgendes:

Wir sind nun an einem Punkt angelangt, an dem wir nicht zuerst die Kunst betrachten, sondern den Raum. (Es ist üblich geworden, dass man sich zunächst einmal über den Raum äußert, wenn man eine Galerie betritt.) Das Bild eines weißen, idealen Raumes entsteht, das mehr als jedes Gemälde als das archetypische Bild der Kunst des 20. Jahrhunderts gelten darf.”

Brian O’Doherty, Inside the White Cube. 

Doch nochmal zurück zu Kamppi Chapel: Was mir besonders gut daran gefällt – neben der schönen Gestalt – ist die freundliche Offenheit, die den Besuchern entgegen gebracht wird. Ob man nach einem längeren Stadtbummel ein paar Minuten verschnaufen möchte, sich in den Kapellenraum für ein Gebet zurückziehen möchte oder das Gespräch mit einem der ehrenamtlichen Mitarbeiter sucht: Alles ist Willkommen. Damit ist der geschlossene und zugleich alles eröffnende Raum der Kapelle deckungsgleich zum Konzept der Anlage – und ein großartiges Beispiel für zeitgenössische Architektur.